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Was hast du, was Steve Jobs nicht hatte?

Die Wahrscheinlichkeit, wenn du morgen über die Straße gehst, von einem blauen LKW aus Spanien mit einem französischen Fahrer in einer 30er-Zone um 12:05 Uhr überrollt zu werden, tendiert eher gegen null.

Warum wir den Super-GAU nicht vorhersehen konnten/wollten

…würdest du wahrscheinlich sagen, weil es noch nicht vorgekommen ist. Die Wahrscheinlichkeit von einem Blitz getroffen zu werden, liegt derzeit bei 1:1 Million. Auch eher unwahrscheinlich. Die Wahrscheinlichkeit 6 Richtige plus Superzahl im Lotto zu tippen, liegt bei 1:139 Millionen. Absolut unvorstellbar. Werden nun Lottomillionäre eher vom Blitz erschlagen als andere Individuen? Niemand weiß es. Deshalb spricht man auch von Wahrscheinlichkeit.

Erinnerst du dich an die Legende von der Erfindung des Schachspiels: Der Erfinder verlangte ein Reiskorn für das erste Feld des Schachbretts und jeweils eine Verdoppelung für alle nachfolgenden Felder. Nach 10 Feldern sind es etwa 1000 Körner, nach 20 Feldern eine Million, nach 30 Feldern eine Milliarde und nach 64 Feldern wäre man etwa bei 10.000.000.000.000.000.000.000.000 (zehn Quadrillion).

Dieses Potenzproblem ist, wie viele ähnliche Probleme eigentlich, leicht „zu durchschauen“. Trotzdem lachte der König den Erfinder aus und war gleichzeitig erbost über dessen vermeintliche Bescheidenheit. Unser „gesunder Menschenverstand“ akzeptiert das eben doch nicht so leicht.

Wahrscheinlichkeit und Risiko

Das heißt, wir spielen alle Lotto und wissen mathematisch genau, dass die Chance vom Blitz getroffen zu werden 139 mal höher liegt als 6 Richtige zu haben. Warum spielen wir dann trotzdem? Weil wir uns diese Wahrscheinlichkeiten nicht mehr vorstellen können. Bruno Klumpp sagt: „Wir Menschen haben größte Schwierigkeiten, das Risiko seltener Ereignisse abzuwägen. Und wir werfen auch Wahrscheinlichkeiten und Risiko leichtfertig durcheinander. „Das konnte niemand absehen!“ ist ein Spruch, den man nur zwei Jahre nach dem Beinahe-Zusammenbruch des Welt-Finanzsystems schon wieder hört, diesmal im Zusammenhang mit der Kernkraft. Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas so Schwerwiegendes passiert, ist „extrem gering“, birgt aber ein gewaltiges Risiko. Wahrscheinlichkeit versus Risiko, zwei völlig verschiedene Dinge. Und „extrem gering“ heißt in Verbindung mit der Kernkraft: Schon vor der japanischen Katastrophe gab es mindestens in einem halben Prozent aller existierenden Atomreaktoren schon Kernschmelzunfälle. Wie wahrscheinlich ist ein solcher Unfall in den nächsten 50 Jahren, wenn er in den letzten 50 Jahren dreimal vorgekommen ist. 

Was Schach mit Atomkraftwerken zu tun hat
Die Chance vom Blitz getroffen zu werden liegt 139-mal höher als 6 Richtige im Lotto zu haben.

Wir lassen uns also sehr wahrscheinliche Dinge als unwahrscheinlich verkaufen,

während wir beim Lotto-Spielen auf Ereignisse mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:140000000 hoffen und Geld dafür verwetten.

Lass mich als Gedächtnistrainer also mal zwischen Wahrscheinlichkeit und Gefahr unterscheiden. Wahrscheinlichkeit ist ein Maß dafür, wie oft wir ein Ereignis erwarten müssen. Das Ausmaß der Folgen ist davon absolut unabhängig. Einem Mathematiker des 19. Jahrhunderts wird sinngemäß folgende Aussage zugeschrieben: „Wie mikroskopisch gering die Wahrscheinlichkeit für die Existenz der Hölle auch ist, lässt sie angesichts der Unendlichkeit der potenziellen Strafe keinerlei Risiko zu.“

Seltene Ereignisse

Unser Gehirn kann durch unbewusstes Gedächtnistraining viele Dinge sehr gut abschätzen: Wenn ein Ereignis 100-mal im Jahr auftritt, erwarten wir, dass sich das im nächsten Jahr so fortsetzt. Tritt es bisher einmal jährlich auf, erwarten wir ein Ereignis pro Jahr in der Zukunft. Sollte es tatsächlich anders kommen, sind wir erstaunt und erforschen die Ursachen. Bei noch selteneren Ereignissen wird es dann aber schwierig.

Mit Erstaunen liest man z.B.: In Japan soll in den letzten 150 Jahren schon eine Tsunamiwelle von 38 Metern Höhe gemessen worden sein. Kernkraftwerke legt man aber nur für gut die Hälfte davon aus. Denn wenn man nur 100 Jahre zurückblickt, ist das ja noch nicht vorgekommen und „extrem unwahrscheinlich“. Denken in Wahrscheinlichkeiten ist sehr stark von Wunschdenken überlagert. Zeiträume, die eine Lebensspanne überschreiten, verarbeiten wir nicht mehr richtig. Wenn etwas nur einmal in hundert Jahren vorkam, dann „ist es unwahrscheinlich“. Und oft genug trifft man auf die Vorstellung: Dann dauert es ja auch noch hundert Jahre, bis es wieder vorkommt. Noch Selteneres, etwa schwere Erdbeben im Oberrheingraben, die bereits 400 Jahre zurückliegen, kommen im Bewusstsein der Menschen gleich gar nicht mehr vor.

Oftmals schließen Menschen direkt vom „sich nicht vorstellen können“ auf völlige Unwahrscheinlichkeit. Wenn etwas noch nie vorkam, wird es auch nicht vorkommen. Und das bei Dingen, für die so etwas wie Wahrscheinlichkeitsrechnung so angemessen ist wie ein Hammer zum Rühren der Suppe. Die Welt ändert sich schließlich ständig.

Nicht nur die Zeit, sondern auch die Entfernung spielt uns einen Streich. Noch dazu glauben wir nämlich, Katastrophen kämen nur in entfernten Erdteilen vor. Überall auf der Welt ist der Glaube verbreitet, die jeweils eigenen Kraftwerke wären die besten der Welt. So wie die übergroße Mehrheit der Autofahrer fest überzeugt ist, überdurchschnittlich gut zu fahren. Dinge wie Schlamperei, Korruption oder Terrorismus will man sich einfach nur anderswo vorstellen. Man reibt sich vielleicht die Augen, wenn man liest, dass beim Bau der Kölner U-Bahn streckenweise jeder zweite Stahlbügel gestohlen wurde. Und doch würde man den Gedanken, irgendetwas Ähnliches könnte auch im Umfeld eines Kernkraftwerks vorkommen, weit von sich weisen. Die Vorstellung ist unserem Verstand zu fremd. Was nicht sein darf, kann auch nicht sein.

Teilmengenbildung

Das ist ein Teilbereich eines allgemeineren Phänomens. Um beim Beispiel Atomkraft zu bleiben: Wenn unser Bild von der Wahrscheinlichkeit gestört wird, bildet unser Gehirn Teilmengen: Harrisburg liegt dann in der Teilmenge „Zeit, bevor man sich der Gefahren richtig bewusst war“. Alles Spätere liegt in einer „Zeit, in der man bereits hinzugelernt und neue Vorschriften geschaffen hat“. Somit sagt „man“, dass dies nicht vergleichbar ist. Alles in Butter. Tschernobyl liegt in der Teilmenge der „unterentwickelten“ Länder. Kraftwerke in Westeuropa liegen in der Teilmenge der „hochentwickelten Industrieländer“. Nicht vergleichbar. Alles in Butter. Nun, da auch Japan betroffen ist, bilden wir neue Teilmengen: Da gibt es die „unsicheren“ Siedewasserreaktoren und die „sicheren“ Druckwasserreaktoren. Alles in Butter.

Eine solche Teilmenge mag bei unterschiedlichen Ursachen und Wirkungen selbstverständlich auch völlig verschiedene Wahrscheinlichkeiten nach sich ziehen können. Und auch das würde dann, je nach persönlicher Voreingenommenheit, natürlich auch wieder ganz einfach ausgeblendet. Tatsache ist jedenfalls, dass unser Verstand mit seltenen Ereignissen nicht zurechtkommt und auf Mechanismen zurückfällt, mit denen es üblicherweise Aberglauben verteidigt.

Verkettung von Umständen

Auch wer in der Schule gut aufgepasst hat, tut sich schwer damit, Wahrscheinlichkeiten einzuschätzen, wenn mehrere Gefahren gleichzeitig einwirken. Und doch sind es „Zusammentreffen sehr unwahrscheinlicher Faktoren“, die dann z.B. den ersten Weltkrieg auslösten und noch Jahrzehnte später von der Wissenschaft bestaunt wurden. Wenn schon ein Einzelereignis unserem Verstand so große Schwierigkeiten macht, was ist dann erst, wenn wir das Zusammenwirken mehrerer Faktoren haben, die allesamt nur eine ungewisse Wahrscheinlichkeit haben?

Unser Verstand ist ganz offensichtlich schlecht ausgestattet für den Umgang mit Wahrscheinlichkeiten. Gerade das Abschätzen von großen Gefahren mit geringer Wahrscheinlichkeit fällt uns extrem schwer. Aber das ist kein Grund, sich mit diesem Thema nicht zu befassen.

Die Legende vom Schach kann sowohl als Hommage an das Spiel, als anschauliches mathematisches Lehrbeispiel wie auch als sozialkritisches Werk verstanden werden. Unsere Gedanken, unsere Erfahrungen, unser Gedächtnis und unser Verstand spielen uns einen Streich, wenn es um das nicht Fassbare geht. Nichts ist unmöglich! Wir sollten uns die Frage stellen, ob wir mit der „winzig kleinen Wahrscheinlichkeit, dass es in Europa zu einer Kernschmelze kommen kann“ leben können.

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