Willkommen im Gehirn der Frau!
Ein Dinner für zwei, Abendgarderobe, Komplimente, Augenfunkeln. Sie sieht super aus, ihre Lippen sind rot und weich, und unter dem fließenden Stoff ihres Kleides scheinen dir ihre Brüste entgegen. Du nimmst sie mit an einen dunklen, romantischen Ort, ihr beginnt zu schmusen.
Du küsst sie sachte hinter das Ohr und sie kichert leise. Nach ein paar Minuten gleiten deine Hände über ihre Schultern, massieren die makellos glatte Haut unter ihrer Bluse. Sie schnurrt leise und deine umherwandernden Hände stoßen auf keinerlei Widerstand. Schließlich stiehlt sich deine eifrige Tatze nach unten und schummelt sich in den Strafraum. „Stopp!“, zischt sie auf einmal. Und damit ist der Abend gelaufen. Was ist nur passiert?
Ich erkläre es dir als Gedächtnistrainer gern. Ich möchte nur, dass du vorher weißt, dass die Sache ein wenig kompliziert wird. Es geht nämlich um das Gehirn und die vielen tausend neurologischen Vorgänge, die sich darin abspielen. Doch es lohnt sich. Denn wer das Gehirn der Frau einmal verstanden hat, sahnt ab. Und würde den Fehler unseres Verführers sicher vermeiden.
Was im Kopf der Frau vorgeht
Also, nochmal zurück. Es war alles so gut gelaufen: das schöne Essen, das extravagante Restaurant, sie hatte deine Krawatte bewundert und über deine Scherze gelacht. Irgendwann zwischen Caesars Salad und Pfeffersteak verknoteten sich eure Blicke, die Funken flogen. Biologisch sah das so aus: Die Augen deiner Angebeteten funkten in diesem Moment ein Bild von deinem Äußeren über eine Datenautobahn namens Corpus geniculatum laterale (kurz: CGL) bis hinunter in ihren primären visuellen Cortex. Der Cortex, der das gesamte Dachgeschoss in ihrem Hirn einnimmt und verantwortlich für bewusste und unbewusste Berechnungen ist, nahm blitzschnell eine Analyse vor. Und?
Gratulation! Der Cortex erfasste dich als einen Prachtkerl, darum entflammte ihre Amygdala, ein anderer Teil ihres Gehirns, und der Hypothalamus befahl ihren Testosteronhähnen, sich zu öffnen und sexuelle Erregung auszulösen. Man könnte sagen, dass in dem Moment deine Probezeit begann.
Ihr Gehirn war dir zunächst auch wohlgesonnen, hielt aber sehr aufmerksam Ausschau nach Gründen, dich nicht als Gefährten zu wählen. Testosteron und Dopamin, die beide ihr Gehirn überfluteten, als sie dein Prachtkerl-Potenzial erkannte, hielten für kurze Zeit die vernünftigen Teile ihres Hirns in Schach, die ständig Risiken abwägen und sich Sorgen machen.
Eigentlich bestand dein Job im Wesentlichen darin, es nicht zu vermasseln. Was du durch dein Foul im 16er dann aber tatest. Ich verstehe natürlich deine Ungeduld. Was hattest du nicht schon alles an Hürden genommen. Und auch dabei spielte die Biologie übrigens eine nicht ganz unwichtige Rolle. Die Eigenschaften, die eine Frau erfolgreich zu einer Partnerschaft bewegen, sind nämlich ebenfalls im Gehirn fest verankert.
Steht das Aussehen im Vordergrund?
Zum Beispiel bevorzugen Frauen auf der ganzen Welt fast immer Männer, die größer sind (im Mittel zehn Zentimeter) und älter (durchschnittlich 3,5 Jahre). Gleichzeitig sind die Frauen mehr an der Größe seiner Geldbörse und seines Ansehens interessiert. Männer, denen es an Alter, Größe oder Geld mangelt, müssen nicht verzweifeln, denn diese Faktoren selbst sind weit weniger entscheidend als die Logik, die hinter ihnen steht.
Eine Frau bewundert stets weniger das Geld eines Mannes als seine Bereitschaft, es für sie auszugeben. Du musst also nicht wirklich groß sein, wenn du gelernt hast, dich groß zu benehmen, sprich: wenn du eine souveräne Reife ausstrahlst. Denn es ist Reife, was eine Frau für gewöhnlich sucht – nicht einen Mann, der einfach nur schon häufiger Geburtstag hatte. Klar, jede Frau zieht einen gutaussehenden Mann einem Quasimodo vor.
Eine grundsätzliche Vorstellung davon, was „gutaussehend“ genau heißt, ist im weiblichen Gehirn ebenfalls angelegt: Es zählt vor allen Dingen Symmetrie. Viele Studien haben die Wichtigkeit der Symmetrie im Aufbau von Gesichtern gezeigt; Symmetrie des Körpers, seiner Anhängsel, der Haltung; Symmetrie in Kleidung und Gepflegtheit. Hättest du ihr dahingehend nicht gefallen, wärt ihr beide nicht mal bis zur Vorspeise gekommen. Aber das Aussehen ist nicht alles. Was zählt, sind innere Werte.
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So entsteht der GAU beim ersten Date – oder eben nicht
Was ist denn nun schiefgelaufen? Um zu verstehen, weshalb sie austickt, musst du begreifen, wie sie überhaupt tickt. Das Hirn der Frau ist etwa zehn Prozent kleiner als das des Mannes. Aber weibliche Gehirne enthalten die gleiche Zahl an Neuronen wie männliche, sie sind nur fester und enger zusammengepackt. In einzelnen Hirnregionen – besonders in denen, die mit Liebe, Sex und Kindererziehung zu tun haben – sind die Unterschiede so deutlich wie die im Unterleib. Und auf diese Unterschiede kommt es an.
Jedes Gehirn ist darauf ausgerichtet, Fortpflanzungsbedürfnisse des eigenen Geschlechts zu befriedigen. Läuft dem etwas zuwider, schlägt es Alarm. Reinfälle sind so alt wie die Fortpflanzung selbst und genauso verbreitet.
Um es kurz zu formulieren: Das männliche Lustgehirn ist dafür prädestiniert schnell in Wallung zu geraten und Vollgas zu geben – und das weibliche dazu, sämtliche voreiligen Annäherungsversuche abzuschmettern. Die Unterschiede im Verhalten entsprechen den Unterschieden im Aufbau des Hirns. Einer dieser Unterschiede nimmt seinen Anfang in einem Netzwerk aus Zellen, das an der Basis deines Gehirns beginnt. Es läuft deine gesamte Wirbelsäule hinunter, bis es deine Genitalien erreicht und deine sexuelle Lust steuert. Diese Aufgabe erfordert nicht Millionen hochsensibler Zellen – ganze drei genügen.
Jede von ihnen ist so lang wie deine Wirbelsäule und von nur mikroskopischem Durchmesser. Erstaunlich? Nicht sehr, wenn du bedenkst, dass das Nervensystem einer Frau diese Aufgabe mit nur einem einzigen Neuron bewältigt. Um es deutlicher zu sagen: Ihre Sex-Schaltkreise sind dreimal so dick wie deine. Als Mann wirst du also viel stärker erregt, und das dann auch noch viel schneller.
Oder nimm dir Prima Donnas anterioren cingulären Cortex (ACC): Diese Hirnregion ist am Abwägen von Entscheidungen beteiligt, auch an jener, ob sie es riskieren soll, in deine Wohnung mitzugehen. Die schlechte Nachricht ist, dass ihr ACC größer ist als deiner. Und auch der präfrontale Cortex einer Frau – im Wesentlichen das Kindermädchen ihres Gehirns, das zu verhindern versucht, dass sie Dummheiten macht – ist größer als deiner.
Ebenso ihr Hippocampus, der in ihrer Erinnerung all diese winzigen Details romantischer Momente bewahrt, die du als überflüssigen Unsinn sofort vergisst. Sprich: Sie wird insgesamt besser überwacht.
Sie denkt viel mehr nach als du in emotional und sexuell aufgeladenen Situationen – und findet mehr mögliche Einwände dagegen, sich selbst weiter aufladen zu lassen. Resultierend aus den einmaligen Bedürfnissen, die durch Schwangerschaft und Stillzeit entstehen, haben Frauen eine Vorliebe für Männer entwickelt die stark, beschützend und ihr, sowie den Kindern, in Liebe ergeben sind.
Männer hingegen – das weißt du besser als ich – entwickelten sich so, dass sie Sex für so ziemlich das Wichtigste überhaupt halten. Dieser tief in unseren Gehirnen verwurzelte Widerspruch unserer evolutionären Ziele verursacht den ewigen Konflikt der Geschlechter. Letztendlich ist Sex für eine Frau nicht so wichtig wie für den Mann.
Wie du die Sache herumreißt und den Abend rettest
Klar, was du dir denkst: „Eben war sie noch Feuer und Flamme, jetzt ziert sie sich – was will sie denn nun?“ Du willst wissen, was Frauen wollen? Auf Sex bezogen ist die Antwort einfach: Sie wollen, dass es langsam beginnt. Schuld an der Abfuhr ist die weibliche Amygdala. Ja, die! Die, die dich eben noch zum Prachtkerl ausrief. Jetzt schreit sie etwas anderes: Vorsicht! Das ist eine Warnung, erprobt in Jahrmillionen natürlicher Selektion.
Sie warnt ihren ACC, dass eine rasche Entscheidung bezüglich deiner tastenden Hand getroffen werden muss und dass eine falsche Entscheidung verhängnisvolle Konsequenzen haben könnte (Übelkeit, Gewichtszunahme, Mutter-Kind-Kuren). Deshalb sendet das weibliche Gehirn eine körperliche Anweisung an ihren Mund, der die Antwort ausspricht: „Stopp!“
Wie die meisten unserer instinktiven Verhaltensweisen wird Sex vom vegetativen Nervensystem gesteuert. Dieses komplexe Netzwerk von Neuronen ist in zwei unterschiedliche Bereiche unterteilt, das sympathische und das parasympathische Nervensystem, die recht unterschiedliche und in vielen Fällen gegensätzliche Verhaltensweisen bewirken. Wenn du zum Beispiel deine Schreibtischschublade öffnest und sich daraus eine zischende Kobra herausschlängelt, lässt dein sympathisches Nervensystem dein Herz rasen und wirft die Adrenalinpumpen an. Du hast nur wenig Appetit auf Essen – und erst recht nicht auf Sex.
Die sexuelle Erregung wird dagegen ausschließlich vom parasympathischen Nervensystem kontrolliert, ebenso alles, was mit dem Genuss von Essen und seiner Verdauung zu tun hat. Stelle dir vor, wie du dich nach einem herrlichen Essen mit einem Glas Wein vor dem Kamin niederlässt, während sich eine schöne Frau an dich schmiegt. Dein parasympathisches Nervensystem hat die Oberhand.
Du fühlst dich zufrieden, sicher, bereit für die Liebe. Liebkose die Frau, mache ihr Komplimente, lass sie entspannen. So drehst du ihr parasympathisches Nervensystem auf – sie lächelt, schmust, schnurrt. Parasympathische Impulse aus ihrem Gehirn und von anderswoher setzen einen starken Cocktail aus Liganden frei (Hormone und andere Chemikalien, die Botschaften durch den Körper tragen), direkt in die Geschlechtsorgane hinein.
Dieser Cocktail stimuliert die Freisetzung vaginaler Gleitmittel, öffnet Blutgefäße in den Schamlippen und der Vagina und lässt sie anschwellen. Wenn du nun – wie eben geschehen – vorschnell eine Dummheit begehst, löst du einen Alarm aus. Du entzündest ihre Amygdala, diese erregt den ACC und weckt ihr sympathisches Nervensystem – wie dumm! Jetzt, da die Stimmung einmal dahin ist, musst du hart arbeiten, um sie wieder herzustellen. Das geht aber: Du musst ein spezielles Hormon (Oxitozin) überreden, seine Zauberkraft in ihrem Hirn zu entfalten.
Welche Hormone dir jetzt helfen können
Liebe, Verlangen und sexuelle Erfüllung werden von Hormonen angeregt. Bei dir als Mann wirkt ein Hormon namens Vasopressin, dass der Blick wie ein Laser auf das Objekt der Begierde zielt. Studien zeigen, dass der Vasopressin-Pegel beim Sex stark steigt. Ein weiteres Hormon, das beim Sex zunimmt, ist Oxitozin. Zusammen mit Östrogen spielt es für Frauen dieselbe Rolle bei der Bildung von Beziehungen wie das Vasopressin bei den Männern – allerdings mit anderen Folgen. Vasopressin tendiert dazu, sehnsüchtiges Verlangen zu produzieren. Kennst du, oder? Oxitozin erzeugt dagegen ein Gefühl des Vertrauens und Wohlbefindens. Wenn du den ACC einer Frau besänftigen und ihr parasympathisches Nervensystem aktivieren willst, hebst du ihren Oxitozin-Pegel an. Wie das gehen soll?
Vergleichsweise einfach: durch eine innige Umarmung. Studien haben belegt, dass eine Umarmung vom Partner einen Schwall an Oxitozin im Gehirn der Frau freisetzt – aber nur, wenn die Umarmung mindestens 20 Sekunden anhält. Übrigens: Alles, was gemeinhin unter den Begriff Vorspiel fällt, wird vermutlich einen ähnlich versöhnlichen Effekt erzielen – vorausgesetzt, sie hat Interesse an dir und du tust es lange genug.
Noch ein Tipp: Eine Studie in Holland zeichnete weibliche Hirnströme vor, während und nach dem Sex auf und wies nach, was Frauen ohnehin schon wussten: Eine Frau kann nicht sexuell erregt werden, wenn ihre Füße kalt sind. Du willst es konkreter? Eine geschickte Fußmassage bewirkt einen netten Oxitozin-Ausstoß! Der Effekt des Oxitozins kann eine Frau regelrecht entwaffnen. Weibliche Tiere, denen man das Zeug injizierte, schienen jegliche Vorsicht in den Wind zu schießen und mit dem erstbesten Männchen herumzumachen.
Eine Studie an der Claremont Graduate University zeigte, dass Menschen, denen man Oxitozin per Nasenspray verabreichte, anderen gegenüber vertrauensseliger wurden. Aber frage jetzt nicht, woher du dieses Spray bekommst – nehme deine Liebste in den Arm!
Wie du die Geschichte zum verdienten Höhepunkt bringst
Es ist, zumindest aus der neurologischen Perspektive, nicht viel darüber bekannt, was den weiblichen Orgasmus auslöst. Wir wissen, dass er im Wesentlichen ein Reizaustausch zwischen Klitoris und Nervensystem ist und das er auftritt, wenn ein Cocktail aus Wohlfühl-Chemikalien das Gehirn überflutet.
Wir glauben auch zu wissen, was den weiblichen Orgasmus kompliziert macht: Gerade so, wie das sympathische Nervensystem gewaltig heruntergefahren werden muss, damit eine Frau sexuell erregt werden kann, muss es wieder hochgefahren werden, damit sie einen Höhepunkt erleben kann – denn ausschließlich das sympathische Nervensystem kann jene kraftvollen Muskelkontraktionen auslösen, die den weiblichen Orgasmus begleiten.
Muss die Amygdala für sexuelle Erregung nur beruhigt werden, ist sie für komplizierte neurologische Manöver, die einen Höhepunkt möglich machen, vollständig auszuschalten. Alles, was die Konzentration der Frau an diesem Punkt stört – beispielsweise schlechter Atem, dummes Geschwätz, ein Geräusch – könnte ihre Amygdala in Aufruhr versetzen, und der alte Schwarzseher ACC macht dann einen Orgasmus unmöglich.
Liebe ist der Schlüssel!
In diesem Streben nach Orgasmen könnt ihr beide jedoch einen mächtigen Alliierten ins Feld führen: die Liebe. Eine Portion davon kann so stark wirken wie eine Handvoll Ecstasy. Wirklich!
Ecstasy stellt hier sowohl die Fähigkeit der Amygdala, uns bei klarer, gegenwärtiger Gefahr zu warnen, als auch die Skepsis des ACC gegenüber Risiken im Allgemeinen ruhig. Ergebnis einer Mixtur aus Ecstasy und Liebe ist eine Person, die nicht auf die Konsequenzen ihrer Handlungen achtet – ein Narr.
Der Vorteil für dich dabei ist, dass eine verliebte Närrin viele Makel an ihrem Liebhaber übersieht. Und es hilft zu erklären, wieso Verliebte stets vom Sex schwärmen: Liebe ist der beste Sex. Sie lässt sich aber nicht im Labor erschaffen, auch nicht per Fußmassage. Genau gesehen, benötigt eine so komplexe Empfindung wie die Liebe eine komplizierte Mischung unterschiedlicher Hormone – Oxitozin, Dopamin und Testosteron sind nur einige Beteiligte.
Vor ein paar Jahren hat der Arzt Dr. Enzo Emanuele von der Universität Pavia in Italien entdeckt, dass Paare, die seit einem oder zwei Jahren verliebt sind, wesentlich mehr von einem Neurotrophin genannten „nerve growth factor“ (NGF) in sich tragen als einsame Herzen. Der Nervenwachstumsfaktor ist besser bekannt als „Liebesmolekül“. Emanuele fand zudem heraus, dass Paare, die länger als zwei Jahre verliebt waren, nicht mehr von diesen Molekülen aufwiesen als Nichtverliebte.
Diese Entdeckungen werden vermutlich niemanden überraschen, der schon einmal eine Langzeitbeziehung hatte. Nach 18 Monaten gehen Glanz, Romantik und Aufgeregtheit offenbar zur Neige. Du siehst: Der Rausch der Liebe ist vergänglich. Also nutze die Zeit, eile mit Weile – und vermassele es nicht!
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