Lernen lernen:
Mit den richtigen Lerntechniken zu mehr Erfolg in Schule und Studium
Stehen, laufen, sprechen – Kinder sind wahre Meister im Erlernen neuer Dinge. Ohne sich entmutigen zu lassen, saugen sie mit Ihrem täglichen Gehirnjogging begierig alle Informationen auf, die ihnen dabei helfen sich weiterzuentwickeln. Und ganz egal, wie oft ihre Mühen vergeblich sind: am Ende haben sie ein breites Grinsen im Gesicht, weil sie sich freuen, wieder etwas Neues geschafft zu haben, ein dauerhaftes Gedächtnistraining mit Freude.
Natürlich beschränkt sich das beständige Lernen nicht nur auf das Kindesalter. An jedem Tag unseres Lebens lernen wir Neues dazu, denn wir können gar nicht anders – der Unterschied ist nur, dass wir es häufig nicht mehr gerne machen. Während Kinder noch voller Enthusiasmus neugierig die Welt entdecken, und darin auch kontinuierlich positiv bestärkt werden, erfahren Jugendliche und Erwachsene häufig zu viel Leistungsdruck, um sich den Spaß am Lernen zu bewahren.
Seien es die Hauptstädte der Welt oder das Büffeln von Vokabeln – mit der Angst vor schlechten Noten im Rücken werden für viele Schüler selbst interessante Themen schnell zur Last. Doch das muss nicht sein, denn mit der richtigen Herangehensweise kann selbst das Lernen von Fach- und Allgemeinwissen richtig Freude machen. Und genau diese Freude ist es, die wir brauchen, um dauerhaft gute Ergebnisse zu erzielen. Wie Lernen lernen am besten geht, will ich dir jetzt erklären.
So lernst du Lernen
Wahrscheinlich fragst du dich jetzt, wie das gehen soll. Wie kannst du dir Wissen effektiv und dauerhaft einprägen, ohne dass du dich dabei langweilst? Ganz einfach: mit möglichst viel Fantasie.
Am besten, wir machen gleich eine kleine Übung, damit du siehst, was ich meine.
Alles, was du dafür brauchst, sind ein Blatt Papier, ein Stift und zwei Minuten deiner Zeit. Bist du bereit?
Im Folgenden findest du eine Liste mit 20 Wörtern, die du dir bitte jetzt durchliest, um sie danach aus dem Gedächtnis parat zu haben. Die Wörter lauten:
– Eisbergsalat
– Hausmeister
– Nutella
– Apfelbaum
– Meer
– Einkaufszentrum
– Banane
– Hund
– Parkettboden
– Vorhang
– Deo
– Reis
– Sofa
– Computer
– Fragezeichen
– Mülleimer
– Lehrer
– Tafel
– Müsli
– Parfüm
So: Das waren die Wörter. Und um das Ganze noch ein bisschen schwieriger zu machen, zählst du jetzt noch laut von 50 auf 40 herunter, bevor du dir deinen Stift schnappst und alle Begriffe aufschreibst, die dir im Gedächtnis geblieben sind.
Von 50 runter zählen und dann die Wörter, die du noch weißt, aufschreiben! Los geht’s!
Fertig? An wie viele Wörter konntest du dich erinnern? Falls es sieben oder acht sind, bist du schon wirklich gut. Und falls es weniger sind, möchte ich dir als Gedächtnistrainer einen einfachen Trick verraten: Mit Bildergeschichten wird alles gleich viel einfacher.
Am besten, du schaust dir meine Wortliste noch einmal an, und überlegst dir dann, wie du die einzelnen Begriffe miteinander verbinden kannst. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, dass du dir vorstellst, wie der Hund des Hausmeisters den Müll nach etwas Essbarem durchwühlt und dabei eine Bananenschale auf den Parkettboden schleudert, auf der dein Lehrer, der dich vorher noch an der Tafel gepiesackt hat, ausrutscht und sich nur mit Mühe auf den Beinen halten kann.
Natürlich kannst du auch noch alle anderen Wörter in deine Geschichte einbauen und dir die Begriffe so nach und nach einprägen. Vielleicht passiert das Ganze ja in einer Schule, die neben einem Einkaufszentrum am Meer liegt.
Grundsätzlich gilt: Je abstruser die Geschichte klingt, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass du sie dir für lange Zeit merken kannst. Und noch etwas ist wichtig: Versuche möglichst viele emotionale Anknüpfungspunkte zu finden, denn es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Gefühle und Denken eng miteinander verbunden sind. Wenn wir bei unserem Beispiel bleiben, bedeutet das, dass du dich an den Mülleimer viel besser erinnern kannst, wenn du dir vorstellst, dass er wirklich ekelhaft stinkt. Und zwar so sehr, dass du am liebsten das ganze Gebäude mit Parfüm einsprühen würdest … Du siehst, worauf ich hinauswill.
Vokabeln lernen leicht gemacht
Wenn ich mich an meine Schulzeit zurückerinnere, war Vokabeln lernen nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung.
Aus diesem Grund kann ich auch leicht nachvollziehen, dass immer wieder Eltern und Schüler zu mir kommen, um sich zu erkundigen, wie diese Herausforderung denn gelingen kann. Irgendeinen Trick muss es doch geben, damit sich das Einprägen der vielen Vokabeln deutlich schneller geht, oder?
Die gute Nachricht: Diesen Trick gibt es. Und das Prinzip ist ähnlich wie das, was ich dir gerade schon gezeigt habe. Nehmen wir einmal das französische Wort für Freiheit, nämlich Liberté. Zunächst ist dieses Wort nichts anderes als ein abstrakter Begriff, weswegen es nun an dir liegt, ihn mit Leben zu füllen. Ich weiß nicht, ob du eher ein Kaffee- oder Teetrinker bist, aber das spielt auch keine Rolle, denn jeder hat die Freiheit, sich jeden Morgen neu zu entscheiden. Kaffee oder lieber Tee (Liberté), das ist die große Frage – und die Antwort auf dein Vokabelproblem.
Klar, am Anfang dauert es möglicherweise ein bisschen, bis du dir deine Eselsbrücken gebaut hast, aber dafür hast du dann gleich zwei Vorteile auf einmal: Du kannst sowohl deine Kreativität trainieren als auch dafür sorgen, dass sich die Wörter wirklich in dein Langzeitgedächtnis einprägen.
Und falls du dich jetzt fragst, ob das wirklich funktioniert: Ja, es funktioniert, und das kann ich dir auch mit einem meiner Lieblingsbeispiele beweisen. Nehmen wir einmal eines der längsten Wörter, die es im russischen Sprachgebrauch gibt: Dostoprimjeltschatjelnosti. Wie bitte schön will man sich dieses komplizierte Wort merken? Ganz einfach: Mit derselben Methode, die ich dir gerade eben schon vorgestellt habe. Du teilst das Wort einfach in seine Bestandteile auf, und überlegst dir dann eine Geschichte, die dazu passt.
Und weil du davor natürlich wissen musst, was diese seltsame Aneinanderreihung von Buchstaben bedeutet, gebe ich dir hier eine kleine Starthilfe: Dostoprimjeltschatjelnosti steht für Sehenswürdigkeit. Jetzt kannst du dir zum Beispiel vorstellen, wie du durch Moskau schlenderst und eine ganz besondere Sehenswürdigkeit bestaunst. Um genau zu sein, handelt es sich um eine überdimensionale DOSe, die zu einem TOr umgebaut wurde, neben dem wunderschöne PRIMELn wachsen, zwischen denen die Menschen TSCHAT-cha-cha tanzen. Aber kein Tanz ohne Musik – und genau jene kommt von einem JELLo, an dem doch tatsächlich Nostradamus sitzt. Man kennt und schätzt ihn hier, weswegen die Menschen ihm auch gleich einen Spitznamen verpasst haben, nämlich NOSTI.
Na? Kannst du dich nun daran erinnern, was Sehenswürdigkeit auf Russisch heißt?
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Orte als Rettungsanker
Du hast noch nicht genug? Dann lass uns noch einen Ausflug in die Geschichte der Mnemo-Technik unternehmen, mit der du dir mühelos jede Menge Vokabeln, Zahlen, Namen und Stichwörter für Referate merken kannst. In einem meiner nächsten Blogartikel werde ich diese Technik noch einmal ganz ausführlich erläutern, aber ich verrate heute schon Folgendes: Nicht nur emotionsgeladene Bildergeschichten haben als Erinnerungsstützen eine enorme Kraft, sondern auch Orte, und beide Methoden lassen sich gut miteinander verbinden.
Was meine ich nun mit Orten? Im Grunde geht es darum, dass wir imaginäre oder auch reale Plätze dafür verwenden, neues Wissen so zu verankern, dass wir es jederzeit wieder hervorholen zu können. Entwickelt wurde diese Methode, die nach dem lateinischen Wort für „Orte“ Loci-Methode getauft wurde, vor rund 2500 Jahren in Griechenland, und selbst Cicero soll sie sich im alten Rom zunutze gemacht haben. Ausgerechnet Cicero, der große Redner und Philosoph, der mit seiner Sprachgewalt Weltruhm erlangt hat. Kannst du dir das vorstellen? Aber was hat er nun eigentlich genau gemacht?
Ganz einfach: Vor jeder seiner wichtigsten Reden nahm Cicero sich ein paar Minuten Zeit, um einfach nur am Rednerpult zu stehen und seine Umgebung zu scannen. Ganz bewusst suchte er nach Orten, die er von seinem Platz aus sehen konnte, um sie in Gedanken mit den wichtigsten Inhalten seines Vortrags zu belegen.
Wie brillant dieses Vorgehen ist, lässt sich anhand des folgenden Beispiels ganz einfach erklären:
Nehmen wir an, du befindest dich in einem Klassenraum und möchtest sichergehen, dass die nächste Deutsch-Klausur zum Thema Thomas Mann in jedem Fall erfolgreich wird. Für unser Beispiel gehen wir nun davon aus, dass die folgenden Fakten und Stichwörter dabei besonders wichtig sind:
1. geboren am 6. Juni 1875 in Lübeck
2. gestorben am 12. August 1955 in Zürich
3. Kaufmannsfamilie, Vater Senator
4. Bruder Heinrich: „Der Untertan“
5. Mitarbeiter der Zeitschrift „Simplicissimus“
6. Roman „Buddenbrooks“
7. Nobelpreis 1929
8. Rede „Appell an die Vernunft“
9. Exil und Princeton
10. Radiosendung „Deutsche Hörer!“
Üblicherweise würdest du dir derartige Stichworte wahrscheinlich auf einen Spickzettel schreiben, aber den wirst du mit der Loci-Methode nicht mehr brauchen. Stattdessen machst du Folgendes:
Du suchst dir zehn Orte im Klassenzimmer aus, an denen du die eben genannten Fakten gedanklich ablegen kannst. Zum Beispiel könnte es sein, dass an der Pinnwand ganz links im Raum ein Poster der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hängt (1). Daneben siehst du ein Bücherregal (2), und hinten links in der Ecke steht ein Globus (3). Rechts daneben steht ein Computer (4), und an der Rückwand befinden sich einige Bilder aus dem Kunstunterricht (5). Wenn du den Blick dann noch weiter schweifen lässt, blickst du durch die Fenster zum Schulhof (6). Weiter rechts steht das Lehrerpult (7), und in der vorderen rechten Ecke liegen der Zirkel und ein großes Lineal (8). Dann folgt die Tafel (9), und am Ende siehst du zu deiner Rechten das Waschbecken (10).
So, nun geht es ans Eingemachte, denn jetzt fängst du an, diese Orte mit deinen Eckdaten zu Thomas Mann zu verbinden. Das könnte dann zum Beispiel so aussehen:
Auf dem Poster der Nationalmannschaft steht das Team statt im Fußballtor im Lübecker Holstentor (geboren in Lübeck). Das Bücherregal ist in deiner Fantasie voll mit Stadtführern von Zürich (gestorben in Zürich), und auf dem Globus sitzt ein kleiner
Senator, der die Weltkugel verkaufen möchte (Kaufmannsfamilie, Vater Senator). UNTER
dem Computer liegt dann die TAN-Liste für das Homebanking (Untertan), und die Bilder an der Wand sind relativ simple Gemälde („Simplicissimus“). Auf dem Schulhof steht eine ImbissBUDE in der es Frikadellen gibt, die so hart sind wie GesteinsBROCKEN („Buddenbrooks“), auf dem Lehrerpult liegt die Nobelpreisplakette, und in der Ecke versucht ein Schüler das Lineal durchzubrechen, doch der Lehrer appelliert an seine Vernunft („Appell an die
Vernunft“). Abschließend steht an der Tafel noch „Prinzen ins Exil!“, und im Waschbecken liegt ein Kopfhörer made in Germany („Deutsche Hörer!“).
Voilà, die Fakten sind verknüpft, und mit ein bisschen Übung – du darfst natürlich noch ein, zwei Mal wiederholen – funktioniert diese Strategie bald wie von selbst.
Speicher dir ähnliche Infos in Zukunft mit solch markanten emotionalen Briefkästen ab. Die Vorteile liegen auf der Hand: Künftig wirst du dir wichtige Fakten nicht nur viel besser einprägen können, sondern du kannst auch eine große Menge an Informationen jederzeit beim Blick auf den von dir gewählten Ort abrufen.
Dass das klappt, habe ich am eigenen Leib erfahren und dabei festgestellt: Lernen lernen ist ganz einfach. Seitdem ich im Studium mit diesen Techniken arbeite, haben sich meine Ergebnisse enorm verbessert. Und das Beste daran: Ich habe auch noch 70 Prozent meiner Lernzeit eingespart. Wenn das kein Anreiz ist!
Noch ein Wort zum Schluss: Niemand verlangt, dass alles gleich beim ersten Mal funktionieren muss. Hol dir die Freude am Lernen zurück, die jedem Menschen ganz natürlich gegeben ist. Bleib am Ball. Am besten, du fängst heute noch damit an.
Verrate mir, welche Erfahrungen du mit dem Lernen gemacht hast und schreibe mir das einfach ins Kommentarfeld.
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