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Mythos Monogamie – Warum Liebe keine Treue braucht

Ja, ich weiß, eine sehr provokante These und was hat das mit Gedächtnistraining zu tun? Bevor wir hier jedoch tiefer in die Materie eintauchen, solltest du verstehen, was in unserem Gehirn abläuft, wenn es um die 3 wichtigen Eckpfeiler Sex, Bindung und Verliebtheit geht.

Warum Liebe keine Treue braucht

Wenn wir mit einer Person Sex haben, kann das völlig unabhängig von Liebe und Partnerschaft stattfinden, KANN diese aber begründen helfen. Denn beim Sex wird Dopamin ausgeschüttet. Dopamin begünstigt die Verliebtheit und das gleichzeitig freigesetzte Oxytocin verstärkt die Bindung. Somit schafft Sex eine Nähe und Vertrautheit, die weiterem Sex den Reiz nimmt. Das ist blöd!

Anders betrachtet kann sich Bindung und das Gefühl von Vertrautheit aus sexuellem Kontakt ergeben – aber auch aus den Verhaltensweisen des Verliebtseins. Mehr noch: Bindung scheint das Ziel von Sex und Verliebtheit zu sein. So hemmt die für die Bindung typische Hormonlage diejenigen Botenstoffe, die den Sex und das Verliebtsein befeuern. Noch blöder!

Der dritte Aspekt der Verliebtheit gilt bei vielen Psychiatern als Zustand teilweiser Unzurechnungsfähigkeit. Auch hormonell weist einiges darauf hin: ein niedriger Serotoninspiegel bedeutet fast zwangsneurotische Hirnzustände, ein hoher Dopamin- und Noradrenalin-Spiegel steht für eine herzrasende Dauerjagd nach Belohnung (durch mehr Nähe, Sex). Ganz blöd! Jetzt haben wir den Salat und befinden uns mitten im hormonellen Liebes-Trilemma.

Vereinfacht ausgedrückt: je mehr Sex wir mit einem Partner haben, umso mehr fühlen wir uns mit dieser Person verbunden, was gleichzeitig die sexuelle Lust mit diesem Partner wieder hemmt.

Wie hängt das nun mit dem „Mythos Monogamie“ zusammen?

Mittlerweile scheint in der Gesellschaft eine Einsicht angekommen zu sein, die Biologen und Anthropologen seit Langem vertreten: Die wenigsten sexuell aktiven Lebewesen auf diesem Planeten neigen zu lebenslangen Beziehungen mit nur einem Partner. Befreit von Konventionen, Versorgungsansprüchen und Fortpflanzungszwang, beschäftigen sich Männer und Frauen wieder vermehrt mit der Frage, wie sie es eigentlich auf Dauer miteinander aushalten können – und ob sie es überhaupt sollten.

Vor allem Biologen haben den Mythos zerstört, Monogamie sei ein allgemeines Erfolgsmodell der Natur. Noch in dem Film „Sodbrennen“ von 1986 rät der Vater der Heldin, die sich über ihren untreuen Gatten beschwert: „Du willst Monogamie? Heirate einen Schwan!“ Heute wären Wissenschaftler mit solchen Ratschlägen vorsichtiger. Als ein Team um Raoul Mulder von der Universität Melbourne per DNS-Analyse die Herkunft der Küken von Schwarzen Schwänen testete, erwies sich eines von sechsen als Ergebnis eines Seitensprungs. Und auch den Blaumeisen wurde längst notorisches Fremdgehen nachgewiesen.

Selbst Tiere leben nicht alle monogam

Dabei fiel zugleich ein weiterer Mythos: Es zeigte sich, dass nicht nur Männchen, sondern auch die Weibchen fremdgehen. Zoologen unterscheiden mittlerweile zwischen sozialer und sexueller Monogamie und spekulieren über den Nutzen sogenannter Extra-Paar-Kopulationen. Meisen-Weibchen könnten dadurch zum Beispiel bessere Gene für den Nachwuchs „shoppen“.

Unter den Säugetieren, so schätzen Biologen, leben nur drei bis fünf Prozent monogam. Überraschungen nie ausgeschlossen. So überführten die Forscher der Universität von Florida sogar die Präriewühlmäuse, die lange Jahre als Herolde der Monogamie galten: sie bleiben zwar ein Leben lang zusammen, betrügen sich aber regelmäßig. Die Autoren der Studie resümieren: „Diese Trennung von sozialer und sexueller Treue führt uns ironischerweise zu der Annahme, dass Präriewühlmäuse noch bessere Modelle für die menschliche Bindung sind, als wir bislang dachten.“ Und auch Schimpansen und auch Bonobos beeindrucken Primatenforscher immer wieder durch ihre ausgelebte Freizügigkeit. Sie folgen damit dem biologischen Programm, das in allen Lebewesen wirkt und mit Macht fordert: Verbreite deine Gene!

Monogamie = Standardmodell der Menschen

Vermutlich ist es eher 2.000 Jahren Christentum zu verdanken als der menschlichen Grundausstattung, dass die auf Dauer angelegte, exklusive Zweierbeziehung des Menschen in unseren Breiten immer noch als Standardmodell gilt. Wer über die Kulturen und Zeiten hinweg schaut, kommt zu anderen Ergebnissen: Von 1.154 Gesellschaften etwa, die in einer ethnografischen Datenbank an der Yale-Universität gelistet sind, kennen mehr als 1.000 eine sozial akzeptierte Form der Mehrehe. Nach einer anderen Standardquelle, dem „Ethnographic Atlas“ von G. P. Murdock, sind sogar nur 17 Prozent von 560 verzeichneten Gesellschaften in irgendeiner Weise sozial monogam, von sexueller Treue ganz zu schweigen.

Versorgte zum Beispiel der Mann die Familie und die Frau hütete die Kinder, wie es die Arbeitsteilung der beginnenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert verlangte, war eine Trennung für beide mit Risiken verbunden. Für die Frau, weil ihre ökonomische Lebenssicherung und die ihrer Kinder auf dem Spiel stand. Und für ihn, weil er seine familiären Investitionen zu vergeuden drohte.

Diese ökonomischen Bedingungen, die Mann und Frau plötzlich als Verdiener und Versorgte aneinanderfesselten, waren eine seltene historische Ausnahme, ebenso wie die dazugehörige Norm der Liebesehe. Die Regelung lag damit nun nicht mehr bei Staat und Gesellschaft, sondern beim Einzelnen. Als revolutionär, als neue Freiheit wurde diese Idee begrüßt: sich nicht aus Pflicht, sondern aus Liebe zu binden.

Monogamie bedeutet, ein Risiko einzugehen

Heute sehen sich Forscher bestätigt, dass dieses Modell nur ein Kompromiss war: Wie kräftig hält das weiter dominierende romantische Ideal Partnerschaften zusammen, wenn zugleich die Trennung so einfach möglich ist wie selten zuvor in der Geschichte? Die Bedingungen haben sich geändert, und man sieht, wie instabil die Verhältnisse sind. Der Ehemann ist kein Alleinversorger mehr, und falls ausnahmsweise doch, stehen im Trennungsfall Sozial- und Rechtsstaat fürs Auskommen der Frau ein, ebenso wie für seine Interessen an den Kindern.

Liebespartner sind heute fast risikofrei austauschbar, und diese neue Freiheit wird gern genutzt. Etwa ein Drittel aller Ehen wird geschieden, eine wachsende Mehrheit lebt seriell monogam und lässt der einen die nächste feste Beziehung folgen. Die Sexualforscher Gunter Schmidt in Hamburg und Kurt Starke in Leipzig befragten vor einigen Jahren 776 Deutsche im Alter von 30, 45 und 60 Jahren nach den Beziehungen, auf die sie zurückblicken. Demnach hatten die 30-Jährigen bereits mehr feste Partnerschaften (3,6) hinter sich als die 60-Jährigen (2,7). „Kalt formuliert: Der Beziehungsumsatz pro Leben steigt“, sagt der Heidelberger Sexualforscher Ulrich Clement. Aber das ist „von außen beschrieben, das sind nicht die Motive der Betreffenden. Wenn man nach den Motiven fragt, dann wollen die meisten die eine große Liebe.“ Niemand spreche von seinem Lebensabschnittspartner.

Mythos Monogamie – Warum Liebe keine Treue braucht – Markus Hofmann – Unvergesslich

 

Jeder könnte treu sein, doch nicht jeder ist es!

Hinzu kommen Erkenntnisse wie diese: Der sexuelle Selektionsvorteil des Mannes besteht in seiner Möglichkeit, mit vielen Frauen pro begrenzter Zeiteinheit viele Kinder zu zeugen. Warum sollte dieser Vorteil nicht gefördert sein? Natürlich kann jeder treu sein, doch nicht jeder ist es. Und auch Frauen pflanzen sich optimal mit wechselnden, aber sorgfältig ausgesuchten Partnern fort, weil neben genetischer Qualität auch genetische Vielfalt die Sterberisiken des Nachwuchses mindert.

Jedenfalls gehen Frauen angeblich geschickter fremd als Männer. Ihre Seitensprünge fallen tatsächlich seltener auf, nur in 58 Prozent der Fälle, bei Männern in 63 Prozent. Noch vor zehn Jahren stellte der amerikanische Genetiker Bradley Popovich fest: Zehn Prozent der Kinder, die im Rahmen von Erbkrankheiten-Screenings in den USA getestet wurden, waren nicht von ihren gesetzlichen Vätern gezeugt.

Spricht dies alles dafür, dass der Mensch bestenfalls ein Kurzzeit-Monogamist ist, müsste er zurzeit ein so problemloses Beziehungsleben führen wie selten zuvor in der Geschichte. Schließlich kann er lieben wen und wie lang er will. Es gibt immer mehr offene Partnerschaften, in denen geregeltes Fremdgehen zulässig ist, es gibt Swinger, die den kalkulierten Seitensprung auf Klubs begrenzen, es gibt die Bewegung der Polyamoren, die viele Liebesbeziehungen zugleich unterhalten. Im Internet finden sich en masse annoncierte Interessen jeder denkbaren Richtung, und es existiert kaum noch eine sozial geächtete Beziehungsform.

Monogamie – perfektes Beziehungsmodell?

Doch das perfekte Beziehungsglück hat sich offensichtlich trotzdem nicht eingestellt. Denn es gibt auch mehr Ratsuchende in Beziehungsfragen als jemals zuvor. Hat das Unglück neue Nischen gefunden? „Das riesige Angebot heute macht sexuelle Authentizität zum höchsten Gut: die Klarheit darüber, was man eigentlich will“ sagt der Heidelberger Paartherapeut Arnold Retzer. Entsprechend nähmen Menschen ihre Beziehungen heute ernster als früher „und geben sich umso weniger mit Kompromissen zufrieden. Sie ertragen nur ein bestimmtes Maß an Unzufriedenheit. Zum Beispiel trennen sie sich eher, als einen lebenslangen Kompromiss zu ertragen“, sagt Ulrich Clement.

Der Bruch mit dem Ideal des „Alles-mit-einem-für-immer“ ist nur spielerisch vollzogen: Liebe und Sex, tiefe Verbundenheit und Intimität, so zeigt sich, lassen sich leicht entkoppeln – doch klar soll sein, dass sie im Ernstfall wieder zusammenkommen können. Dazu öffnen Paare ihre Beziehung und verabreden, was erlaubt und was verboten ist – so wie auch Polyamore nach eigenem Bekunden die meiste Zeit damit beschäftigt sind, Klarheiten zu schaffen: über ihre Gefühle, über Eifersucht. Und empfehlen nicht auch Eheratgeber ähnliche kleine Distanzen in Beziehungen einzubauen, zum Beispiel durch Rollenspiele oder Verabredungen zu Gesprächen über geheime Wünsche, damit Nähe wieder möglich wird?

Auf diese Weise suggerieren die neuen Freiheiten und Ratgeber heute, alles gehe, wenn man es nur richtig anstelle: Liebe, Sex – und warum nicht auch ein partnerschaftliches Zusammenleben? Dieses „Anything-goes“ unterdrückt jedoch die Einsicht, dass es sich dabei umeinander widersprechende Sehnsüchte handelt. Und weil der Widerstreit nirgends so klar zutage tritt wie in monogamen Beziehungen, beschreiben Forscher das Drama am liebsten an deren Beispiel: Zu Beginn sei die Hormonlage frisch Verliebter, sein sinkender, ihr steigender Testosteronspiegel und beider Verhalten darauf gerichtet, sich aufeinander einzustellen. Jeder tut nach Kräften, was dem anderen gefällt. So entsteht zwar eine feste soziale Bindung. Doch nicht nur beim Sex, auch im Alltagsleben passiert es dadurch leicht, dass man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt und vergisst zu fragen: Was möchte ICH eigentlich?“, sagt Ulrich Clement. Eine Frage, die irgendwann im Gewand erster Unzufriedenheiten auftaucht.

Intimität und Nähe

Viele Paare, die therapeutische Hilfe suchen, so die Paarforscherin Astrid Riehl-Emde, klagen über „Kommunikationsprobleme“: wenn die Gemeinsamkeiten zum Korsett geworden sind, und die unterschiedlichen Interessen, die das Zusammenleben reizvoll machen könnten, nur noch in Form unaussprechlicher, als gefährlich geltender Wünsche existieren – oder in Affären. Schließlich braucht es, um Nähe und Intimität auszuleben, ein Mindestmaß an Fremdheit und Distanz, welchen Sinn und Zweck sollte Intimität sonst haben? Folgerichtig steht irgendwann der Sinn der Zweisamkeit in Frage.

„Intimität und Nähe setzen immer ein gewisses Maß an Differenzierungsvermögen, ein starkes Selbstgefühl voraus“, sagt der amerikanische Psychologe und Sexualtherapeut David Schnarch. „Sonst beginnen Partner, unter gegenseitiger Rücksichtnahme und deren Verletzungen zu leiden’“ Das romantische Ideal ebenso wie das Feuer der frischen Leidenschaft beflügelten zwar „Fantasien des emotionalen Miteinanderverschmelzens“, doch nur klare Distanz bewirke, dass der Wunsch nach Nähe erhalten bleibe. Erfüllen sollte sich der Verschmelzungswunsch nach Möglichkeit nicht. Das wussten schon die mittelalterlichen Minnesänger: Nur unerfüllte Leidenschaft ist wahre Leidenschaft.

Durch Monogamie steigt die Lebenserwartung

Ob Biologie, Ehealltag oder sexualtherapeutische Erfahrung: Wenig spricht dafür, dass sexuelle und soziale Monogamie ein Erfolgsduo bilden. Doch sind beide durch einen trügerischen Kitt miteinander verbunden – durch die Liebe, wie Paarforscher einhellig bestätigen. Sie kann aus anfänglicher Sympathie, seltener auch aus sexueller Intimität zur tiefen Freundschaft reifen. Einerseits. Dann nährt sie den Wunsch zusammenzuleben, wie heute mehr Menschen als jemals zuvor demonstrieren. An die 60 Prozent der Ehen bestehen bereits seit 45 und mehr Jahren, weil die Lebenserwartung steigt. Doch andererseits macht die Liebe das Drama monogamen Lebens auch erst richtig kompliziert, denn der Mensch hat keinerlei Macht über sie. Liebe muss gar nicht erst für andere entflammen, um eine bestehende Beziehung zu zerstören, sie kann der Ehe auch von innen gefährlich werden.

Der Grund: „Liebe und Ehe sind zwei vollkommen unterschiedliche Dinge, die ganz eigenen Spielregeln gehorchen. Ehen und ähnliche Partnerschaften sind auf Tauschgerechtigkeit gerichtete Vertragsverhältnisse zwischen zwei geschäftsfähigen, gleichberechtigten Menschen. Die Liebe hingegen ist zweckfrei, man kann sie nicht vertraglich eingehen. Man kann nicht einmal beschließen, eine Liebesbeziehung zu haben. Man hat sie einfach und muss feststellen, dass man sie nach den Anforderungen der Ehe, zum Beispiel nach der Geburt des ersten Kindes, als solche nicht fortsetzen kann“, sagt Retzer.

Irrationalitäten können die Ehe retten

In diesem Fall empfiehlt es sich wieder einmal, auftretende Differenzen zu nutzen, statt sie nach romantischer Auffassung als Gefahr für die Gemeinschaft zu verstehen. Wer differenziere, könne umschalten zwischen zwei Regelwerken: auf die Ehe, wenn die Liebe in der Organisation des Alltags an ihre Grenzen gelangt, zwischen Windelwechseln, Einkäufen und Terminflut. Und auf die Liebe, wenn nach Ehemaßstäben Zwist unvermeidlich wird. „Vergeben“, „Verzicht“, „sich positive Illusionen über den Partner machen“ – die Irrationalitäten der Liebe können die Ehe retten, lassen sich aber auch ebenso leicht durch ehevertragliche Ansprüche zerstören, die in die Liebessphäre übertragen werden: Was wäre zum Beispiel der gerechte Ausgleich für dein nächtliches Aufstehen, um das Kind zu versorgen? Was kostet ein vergessener Begrüßungskuss? Was wiegt eine Affäre auf?

In Liebesbeziehungen gibt es keine objektiv konvertible Währung, die Gerechtigkeit garantiert, wie die Soziologin Christine Wimbauer in ihren paarökonomischen Studien festgestellt hat: Selbst Geld hat nur die ihm jeweils zugewiesene Bedeutung. Verdient es der Künstler, der mit der Supermarktchefin zusammenlebt, kann es in deinen Augen mehr wert sein als ihr eigenes, weil es Ausdruck der Romantik ist, die er ihrem Alltag verleiht.

Bleibe gelassen und spontan!

In solch emotionaler Währung lässt sich nicht aufrechnen. Besonders heikles Beispiel dafür: der Sex – auch so eine Sache für frei zugewiesener Bedeutung. „Soll er Ausdruck von Liebe sein, hängt viel von ihm ab. Steht er für die funktionierende Beziehung, dann ebenfalls. Je bedeutungsvoller Sex in einer Beziehung wird, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er überhaupt vollzogen wird“, erklärt Retzer. Denn Mythen über Sex (er soll so bleiben wie am Anfang; regelmäßig ist wichtig; stimmt die Liebe, gibt es keine Probleme), wie simple Ratgeberliteratur sie massenweise verbreitet, schaffen Pflichten auf Feldern, die natürlicherweise spontan, mal lustvoll oder auch einfach mal gar nicht bespielt werden. Auf diesem wie in allen Beziehungsfeldern raten Paarforscher einhellig: Übt euch in Gelassenheit!

Keine leicht zu erfüllende Aufforderung für Menschen, die dem romantischen Imperativ gefolgt sind und an ihn glauben: „Finde die Liebe deines Lebens!“ So wirbt ein Plakat am Empfang im elften Geschoss jenes Hamburger Hochhauses, in dem Parship residiert, nach eigenen Angaben mit acht Millionen Klienten deutscher Marktführer der Online-Partnervermittlungen.

Parship hat ein „wissenschaftlich fundiertes“ Suchsystem installiert. Mithilfe eines Psychotests, bestehend aus 72 Fragen und 400 vorgegebenen Antworten wird von jedem interessierten Single ein Persönlichkeitsprofil erstellt, das aus 32 Merkmalen besteht. Danach wird der passende Partner gesucht.

Gegensätze ziehen sich an

„Der Spruch: „Gleich und gleich gesellt sich gern“, stimmt nur bedingt. „Das ist alles viel komplizierter“, sagt die Psychologin Sandra Spreemann, die den Test für Parship erstellt hat. „Angenommen, da kommen zwei Menschen mit wenig Aktivitätsbedürfnis zusammen, das mag ja am Anfang für beide angenehm sein. Aber nach ein paar Jahren ist die Luft raus, und sie sitzen nur noch auf der Couch. Also sollte einer aktive Impulse mitbringen.“ Auch nicht gut: Wenn beide immer mit dem Kopf durch die Wand wollen; besser passe der Ausgleichende zum Sturkopf. All das lasse sich mit den Tests wunderbar zusammenpuzzeln.

Für viele Suchende eine offenbar äußerst verlockende Aussicht: maximale Rationalität, die zugleich dem Bedürfnis nach romantischer Liebe gerecht wird. Garantien nämlich gebe es keine, man könne nur das Potenzial für eine Beziehung ermitteln, und es hänge an jedem selbst, was er daraus mache, sagt Spreemann.

Über Eigenschaften und die typische Dauer vermeintlich besonders geschickt eingefädelter Beziehungen, wie sie über Parship zustande kommen, gibt es zwar keine Erhebungen. Aber Paarforscher wagen Prognosen: Wo Menschen die romantische Wahlfreiheit optimal nutzen und mit marktrationalen Entscheidungen die Liebe suchen, ist mit Retzers Worten ,,die Enttäuschungssensibilität besonders hoch“. Als gutes Beispiel dafür gelten auch die Eheverträge, die sich seit der Scheidungsrechtsreform von 1977 und dem nachehelichen Unterhaltsanspruch zu stapeln begannen: Sie variieren dieses Recht, um Enttäuschungsmöglichkeiten gering zu halten – und die Zahl der Scheidungen stieg seither weiter deutlich an. So zeigt sich heute und vermutlich auch in Zukunft immer wieder: Je schlauer und konsequenter der Mensch es angeht, desto unwahrscheinlicher wird sein Projekt Monogamie.

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